August Hermann Franckes kurzer Unterricht ... , Teil 5
5) Dem Gebet muss die Betrachtung die Hand bieten, dass man bei einem jeglichen ein wenig stille stehe und alles fein in seinem Herzen erwäge. Gar fein spricht Luther über das Evangelium am Christtage seiner Kirchenpostille S.56,b:
Das Evangelium ist so klar, dass es nicht viel Auslegens bedarf, sondern es will nur wohl betrachtet angesehen und tief zu Herzen genommen sein. Und wird niemand mehr Nutz davon bringen, denn die ihr Herz stille halten, alle Dinge ausschlagen und mit Fleiss dreinsehen, gleich wie die Sonne in einem stillen Wasser gar eben sich sehen lässet und kräftig wärmet, die im rauschenden und laufenden Wasser nicht also gesehen werden mag, auch nicht also wärmen kann. Darum, willst du allhier auch erleuchtet werden, göttliche Gnade und Wunder sehen, dass dein Herz entbrannt, erleuchtet, andächtig und fröhlich werde, so gehe hin, da du stille seiest und das Bild tief ins Herz lassest, da wirst du finden Wunder über Wunder.
Dieses ist nun bei der ganzen Heiligen Schrift und deren Lesung in acht zu nehmen. Wo man über ein Kapitel hinrauschet, darnach die Bibel zuschlägt und, was man gelesen hat, bald aus den Gedanken fahren lässet, so ist es kein Wunder, dass man die bibelwohl oft durchlese und dohc nicht frömmer und andächtiger darnach werde. Das Gebet und die Betrachtung müssen einander stets die Hand bieten. Wenn es mit der Betrachtung nicht fort will, so musst du beten; und wenn ds Gebet nicht fliessen will, so musst du die Worte ein wenig betrachten. Aus dem Gebet wird die Betrachtung entspringen und vermehret werden; und durch die Betrachtung wirst du zum Gebet erweckt werden.
Kein Mensch, spricht Bernhardus, kommt plötzlich obenan. Durch Aufsteigen, und nicht durch Fliegen, ereichet man die obersten Sprossen an der Leiter. Darum lasset uns hinauf steigen, als wie mit zweien Füssen, nämlich durch die Betrachtung und durch das Gebet. Denn die Betrachtung lehret und zeiget uns, was uns mangelt; das Gebet aber erhält und erlanget uns bei Gott dem Herrn so viel: dass uns nichts mangele oder fehle. Die Betrachtung zeiget uns den rechten Weg, das Gebet aber führet uns denselbigen Weg.
Und an einem andern Ort spricht er: Durchs Gebet wird die Betrachtung erleuchtet, und in der Betrachtung wird das Gebet inbrünstig. Es ist ein süsses, liebliches Gespräch und eine selige Unterredung, wo nämlich das Gebet und die Betrachtung zusammen kommen, also, dass eine das andere regieret. Und abermals: Das Gebet ohne Betrachtung ist ein kalt und faul Ding. Die Betrachtung ohne das Gebet ist unfruchtbar und druchaus nichts nütze.
Wer diese Erinnerung des frommen Bernhardus in Lesung der Heiligen Schrift wohl in acht zu nehmen weiss, der wird niemals ohne grossen Ntuezn die Heilige Schrift lesen. Z.B. im 1. Buch Mose, 1,2: Und die Erde war wüste und leer, und es war finster auf der Tiefe, und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser.
Betrachtung: Wie hat doch der wunderbare Gott von Anfang so gar einerlei Wege gehalten, dass er seine Herrlichkeit darinnen am meisten beweiset, dass er aus nichts etwas, aus dem Wüsten und Ungestalteten etwas Schönes und Wohlgestaltetes, aus dem Elenden etwas Grosses und Erhabenes machet. So musste es zum Preise seines heiligen Namens gereichen, dass die Erde wüste und leer war, ehe sie von ihm gebildet, schön und fruchtbar gemacht worden.
Gebet: Ach, lieber Vater, ich nehme mir dieses zu einem Trost, wenn ich mein Elend und verderbtes Wesen ansehe. Lass mich nur mein eigenes natürliches Verderben recht erkennen. Ich weiss, du wirst dich dann auch über mich erbarmen und Christum lassen eine Gestalt in mir gewinnen, dass ich wohlgestaltet vor deinem Angesicht erscheine. Die Busstränen will ich gerne über meine Sündnen vergiessen. Lass du nur deinen Geist auch auf solchem Wasser schweben.
Bei solcher Betrachtung muss nun die Prüfung unserer selbst nie unterlassen werden, damit wir aus dem göttlichen Wort das Verderben unseres Herzens recht erkennen lernen uns unser ganzes Herz nach dem Vorbilde der heilsamen Lehre geartet werde.
Freitag, Januar 06, 2006
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